beflügelt

Wendt & Kühn, Kabisch & Ringel

Die stilisierte Wetterfichte auf Bergeshöhe mit den Insignien "W. u. K." ist das Markenzeichen der mittlerweile über 90jährigen Grünhainicher Firma Wendt & Kühn.

Besonders bekannt unter Kennern und beliebt unter Sammlern erzgebirgischer Volkskunst sind die kleinen Engelsfiguren aus den Werkstätten mit ihrem eigenen 'Markenzeichen', den grünen Flügeln mit den elf weißen Punkten.
Wer einmal einen ersten Engel geschenkt bekam oder ihn gar selbst erwarb, konnte meist nicht widerstehen, und der Grundstock für eine illustre Engelsschar oder muntere Engelskapelle war gelegt.
91 Jahre Grünhainicher Werkstätten Wendt & Kühn sind Grund genug, auch im Sächsischen Industriemuseum neben Werkzeugmaschinen und Lokomotiven, Textiltechnik oder Ingenieurwesen die Heerschar der kleinen Engel und ihre Verwandten und Abkömmlinge auftreten zu lassen.
Die Grünhainicher Manufaktur und all die anderen größeren und kleineren Werkstätten im Erzgebirge verstehen sich in der Regel natürlich nicht als Industriebetriebe. Aber auch sie sind ein nicht unbedeutender Wirtschaftsfaktor für Sachsen und haben auch in touristischer Hinsicht den Ruf des "Weihnachtslandes Erzgebirge" geprägt. Der/die Holzspielzeugmacher/in beispielsweise ist wieder ein anerkannter Lehrberuf mit Meisterabschluss, Holzgestaltung ein Studiengang der Westsächsischen Hochschule Zwickau innerhalb des Fachbereichs Angewandte Kunst in Schneeberg.
Als Spielzeug sind die kleinen Flügelwesen und auch ihre größeren Geschwister sicher weniger geeignet. Als Accessoires, so könnte man heute sagen, haben diese Figuren seit Generationen längst ihren Einzug in die Wohnkultur aller Gesellschaftsschichten – und nicht nur in Deutschland - gehalten.
Viele Prominente, Künstlerinnen und Künstler wie Marlene Dietrich oder Helene Weigel bekannten und bekennen sich zu den Kreationen der 1915 von Margarete Wendt und Margarete Kühn begründeten Firma. Und 90 Jahre später wird immer noch ausschließlich nach den Entwürfen von Grete und Olly Wendt produziert.
Olly Sommer, die spätere Frau Grete Wendts Bruder Johannes, kam 1920 als Absolventin der Dresdner Kunstgewerbeakademie in die Firma, während Mitgründerin Margarete Kühn nach ihrer Hochzeit aus dem Unternehmen ausschied.
Die Firmengeschichte ist exemplarisch für viele mittelständische Privatunternehmen der Zeit in Deutschland, auch wenn Frauen als Firmengründerinnen eher selten waren und auch nicht allen Firmen der geschäftliche Erfolg bis in die heutige Zeit beschieden war. Hatte man die schwierige Zeit des Zweiten Weltkriegs ohne direkte Beteiligung an der Rüstungsproduktion trotz Warenknappheit und Rohstoffschwierigkeiten gerade überstanden, drohte 1946 aufgrund des Volksentscheids in Sachsen die Enteignung. Gelingt der Rückkauf des verstaatlichten Firmenanteils, so ist 1972 die zwangsweise Verstaatlichung durch die DDR-Regierung und die Umbenennung in "VEB Werkkunst Grünhainichen" nicht mehr abzuwehren. Mit der Reprivatisierung am 1. Juli 1990 fällt der Startschuss für den erfolgreichen Neubeginn der "Wendt & Kühn KG" unter den Bedingungen der freien Marktwirtschaft.

Die kreative Weiterentwicklung des im Erzgebirge wie im Vogtland gewachsenen kunsthandwerklichen Erbes ist eine der Wurzeln des Fachbereichs Angewandte Kunst der Westsächsischen Hochschule Zwickau mit Sitz in Schneeberg. Innerhalb der Studiengänge Holzgestaltung, Modedesign, Textilkunst, Textildesign und am Standort Markneukirchen Musikinstrumentenbau werden Gestalter für Unikat und Serie mit hoher künstlerischer und technischer Qualifikation ausgebildet.
Marcel Kabisch, geboren 1977 in Crimmitschau, und Hartmut Ringel, geboren 1970 in Aachen, sind Absolventen eben dieser Hochschule. Beide Gestalter haben sich bereits in Fachkreisen einen Namen gemacht, begründet durch bemerkenswerte Ausstellungsbeteiligungen und renommierte Auszeichnungen.
Marcel Kabisch erhielt beispielsweise 2003 den Preis für Gestaltung in der Rubrik Möbel der TALENTE 2003 innerhalb der 55. Handwerksmesse München. Seine Arbeit fand Erwähnung anlässlich des SÄCHSISCHEN STAATSPREISES FÜR DESIGN 2003 und wurde für den DESIGNPREIS DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND 2004 nominiert.
Hartmut Ringel erhielt u. a. den BAYERISCHEN STAATSPREIS IM HANDWERK 2002 sowie den Preis des MARIANNE BRANDT-WETTBEWERBS der Stadt Chemnitz, vertreten durch das Industriemuseum Chemnitz und den Kunstverein Villa Arte e. V.

Was die beiden Künstler vereint und für unsere Ausstellung wertvoll macht, ist ihre Liebeserklärung an das Erzgebirge:
'... die Freude an der Mechanik und an dem Spiel mit physikalischen Prinzipien gepaart mit der Sinnlichkeit von Holz, Filz und Aluminium beflügelt uns zu diesen Arbeiten. Durch weitgehende formale Abstraktion versuchen wir dem so unglaublich schöpferischen Geist des Erzgebirges neuen Ausdruck zu geben. Der einzigartigen Mischung aus Erfindungsdrang und Behaglichkeit, wie sie auch die bergmännische Tradition, die Industrielle Revolution und die weltweit bekannten Holzspielzeuge widerspiegeln, gilt unsere Begeisterung.'